Employer Branding

Employer Branding: Zwischen Hochglanz und gelebter Wirklichkeit

Warum echte Werte kein Plakat brauchen – sondern Haltung!

Employer Branding – das klingt für viele nach Hochglanz-Kampagne, Karriereseite und Benefits-Show. Und ja: Sichtbarkeit ist wichtig. Aber sie reicht nicht aus. Denn wie Mitarbeiter über ein Unternehmen sprechen – intern wie extern – hat selten etwas mit dem Kicker im Pausenraum oder der schicken Website zu tun.

Es hat mit Kultur zu tun.

Mit Vertrauen.

Mit dem Gefühl, Teil von etwas zu sein.

Doch viele Unternehmen verwechseln Employer Branding mit Fassade. Sie schreiben Werte an die Wand, sprechen von Augenhöhe, Respekt und Innovationsgeist – leben aber im Alltag ein ganz anderes Bild. Und genau das merken Bewerber wie Mitarbeitende sofort.

Ich habe das oft genug erlebt – und daraus gelernt.


Widerspruch oder Wahrheit?

Wir haben – wie viele andere – versucht, unsere Werte sichtbar zu machen. Es gab Plakate, interne Newsletter, schön formulierte Leitsätze. Doch irgendwann wurde klar: Das reicht nicht. Unsere Werte wurden nicht durch Worte sichtbar – sondern durch Verhalten. Durch unser tägliches Handeln.

Als ich noch in Kundenprojekten als Product Owner oder im Vertrieb unterwegs war, habe ich viele Firmen gesehen – vor allem große. Und oft war da dieser Widerspruch: Am Empfang hingen Hochglanzplakate über „Vertrauen“, „Agilität“ und „Wertschätzung“. Doch was ich im Alltag sah, war das Gegenteil.

In einem Projekt war „agiles Arbeiten“ groß angekündigt. Doch hinter den Kulissen dominierte ein Projektleiter mit Mikromanagement. Entscheidungen wurden über die Köpfe des Teams hinweg getroffen, Reviews wurden von der Geschäftsführung gesprengt – und Führung bedeutete, lauter zu sein als die anderen.

Eine Szene hat sich mir besonders eingebrannt: Ich stand einmal an der Rezeption eines Konzerns, als der Geschäftsführer mit der Limousine vorfuhr. Der Mitarbeiter am Empfang nahm gerade meine Daten auf und bemerkte das Auto erst nach ein paar Sekunden. Er wurde blass, murmelte: „Das hätte nicht passieren dürfen.“ Diese fünf Sekunden Schweigen sagten mehr über die Kultur des Unternehmens als jeder Imagefilm.


Konkludentes Handeln – das Fundament jeder Arbeitgebermarke

Werte lassen sich nicht kommunizieren, wenn sie nicht gelebt werden.

Employer Branding beginnt im Verhalten – nicht im Marketing.

Für mich galt immer: erst der Mitarbeiter, dann ich.

Das bedeutet nicht, sich selbst aufzugeben – sondern eine Haltung einzunehmen. Eine, die Verlässlichkeit ausstrahlt. Die Vertrauen schafft. Die zeigt: Mein Wort zählt, auch ohne Unterschrift.

Mitarbeitende wollen nicht jeden Tag in Businesszahlen gebrieft werden – aber sie wollen wissen, wo die Firma steht. Ob es Herausforderungen gibt. Warum gerade mehr Leistung gefragt ist. Wer ehrlich kommuniziert, baut Bindung auf.

Auch Nähe spielt eine Rolle. Persönlicher Kontakt, gemeinsame Events mit der Geschäftsleitung, Austausch ohne Schranken – das sind Zeichen echter Augenhöhe. Doch Vorsicht: Auch in flachen Hierarchien kann man sich wie ein Gutsherr benehmen. Wer Mitarbeitende kleinhält, Informationen zurückhält oder sich über Regeln stellt, zerstört Vertrauen.

Besonders stark wirkt echte Fürsorge in Ausnahmesituationen. Ich erinnere mich an Fälle, in denen Mitarbeitende wiederholt krank waren – körperlich oder psychisch. Und wie dankbar sie waren, wenn sie nicht mit Druck, sondern mit Verständnis konfrontiert wurden.

Auch schwierige Gespräche gehören zur Kultur. Wer sie offen, ehrlich und lösungsorientiert führt – ohne den moralischen Zeigefinger – zeigt, was „Wertschätzung“ wirklich bedeutet.


Employer Branding braucht keine Show – sondern Substanz

Diese Erfahrungen haben mir eines deutlich gemacht:

Eine starke Arbeitgebermarke ist kein Projekt. Sie ist das Ergebnis einer Haltung.

Und sie entsteht dort, wo Menschen spüren: Hier bin ich mehr als nur eine Personalnummer.

Doch wie bringt man das in der Praxis auf die Straße?

Wie gelingt es – gerade in kleinen und mittleren Unternehmen – ein authentisches Employer Branding aufzubauen, das wirkt?

Dazu im nächsten Abschnitt: Fünf konkrete Praxisimpulse, die zeigen, wie Werte sichtbar und erlebbar werden – ganz ohne Hochglanz.


5 konkrete Hebel für KMUs

Employer Branding muss keine aufwendige Kampagne sein. Es braucht keine Drohne, keine Imagevideos und keine Employer-Buzzwords. Was es braucht, ist ein konsequentes, gelebtes Miteinander – sichtbar gemacht durch kleine, aber wirkungsvolle Maßnahmen.

Hier sind fünf erprobte Impulse aus der Praxis, die helfen, Kultur nach innen und außen erlebbar zu machen:


1. Echte Stimmen statt Hochglanz-Testimonials

Menschen vertrauen Menschen – nicht Marketingbotschaften.

Statt gestellter Zitate auf der Karriereseite: Zeigt echte Perspektiven!

Wie wäre es mit kurzen Interviews oder O-Tönen von Mitarbeitenden nach 100 Tagen?

Oder ehrliches Feedback aus dem Exit-Gespräch (anonymisiert)?

Auch das Preboarding oder Onboarding bietet starke Momente, die zeigen: So ticken wir wirklich.

Praxisidee:

Mini-Statements im Intranet oder auf LinkedIn

  • „Was ich in den ersten 100 Tagen erlebt habe“ – Interview mit neuen Mitarbeitenden
  • Mini-Statements im Intranet oder auf LinkedIn
  • Onboarding-Stories als Blogbeitrag


2. Kultur sichtbar machen – durch Führung

Führungskräfte sind die glaubwürdigsten Markenbotschafter.

Was bringt ein Werteplakat, wenn die Führungskraft nicht zuhört, nie Feedback gibt oder nur nach Zahlen führt?

Macht aus euren Führungskräften Kulturträger: Gebt ihnen Formate, Räume und Tools, um Haltung zu zeigen.

Praxisidee:

  • Führungskräfte-Frühstücke mit offenem Austausch
  • Interne Feedbackformate (z. B. Team-Retros) auch für administrative Bereiche
  • Schulungen zu wertschätzender Kommunikation

3. Transparenz schaffen – auch ohne „gläserne“ Organisation

Vertrauen entsteht nicht durch Kontrolle – sondern durch Orientierung.

Gerade in KMUs hilft es, regelmäßig die Belegschaft abzuholen:

Wo stehen wir? Was läuft gut? Wo hakt es?

Das zeigt nicht nur Wertschätzung, sondern auch: Ihr seid Teil des Ganzen.

Praxisidee:

  • Monatliches All-Hands oder Quartals-Update durch die Geschäftsleitung
  • Offene Fragerunden („Frag den Chef“)
  • Visuelle Dashboards im Intranet (z. B. zu Projektfortschritten)

4. Arbeitgebermarke durch Fürsorge stärken

Wer in schweren Zeiten für seine Leute da ist, bleibt im Kopf – und im Herzen.

Ob Elternzeit, Krankheit, mentale Belastung oder private Krisen:

Der Umgang mit schwierigen Phasen prägt den Arbeitgeberruf stärker als jede Karriereseite.

Praxisidee:

  • Mentale Gesundheit offen ansprechen, z. B. über Notfallkontakte, Coachings oder Check-ins
  • Reboarding-Prozesse nach längerer Abwesenheit
  • Lebensphasenorientierte Benefits (z. B. Sabbatical, Workation, Pflegezeit)

5. Authentizität auf allen Kanälen

Wer innen ehrlich ist, darf außen sichtbar sein.

Social Media, Jobportale, Bewerbungsprozesse – all das sind Berührungspunkte, an denen Employer Branding sichtbar wird.

Wichtig ist, dass das Bild dort zur Realität passt. Sonst enttäuscht ihr nicht nur Bewerber – sondern auch euer Team.

Praxisidee:

  • LinkedIn-Beiträge von Mitarbeitenden statt nur von der Unternehmensseite
  • Azubi-Takeover auf Instagram oder der Karriereseite
  • Offene Kommunikation im Bewerbungsprozess: klare Gehaltsbänder, echte Ansprechpartner, ehrliche Jobvorschau

Fazit

Employer Branding beginnt bei der Haltung – und zeigt sich im Handeln.

Wer glaubt, seine Arbeitgebermarke mit einem Imagefilm aufzubauen, sollte lieber nochmal in den Pausenraum schauen. Dort, wo echte Gespräche stattfinden. Dort entscheidet sich, ob Menschen bleiben – oder weiterziehen.

Und ja: Eine starke Arbeitgebermarke braucht Zeit.

Aber sie zahlt sich aus – in Loyalität, Motivation und Weiterempfehlung.